In Wien hört man weiter Operetten, in Berlin spielt man Jazz. Treffender als in dieser bissigen Bemerkung des Kritikers Stefan Grossmann kann man das Berliner Leben der zwanziger Jahre kaum in Worte fassen. Harmlos, verglichen mit den Extremen, die Berlin selbst noch zerreißen sollten. Der Glanz der aufstrebenden goldenen Ära verblasste allmählich und färbte sich in ein modriges Braun. Der Ort eines euphorischen Aufbruchs in die Moderne wandelte sich zu einem Zentrum von Verfolgung und Massenvernichtung.
Reformpädagogik wich ideologischer Bildung, 12-Ton Musik verschwand unter dem Grölen von Soldatenliedern, abstrakte Malerei wurde von Heldenbildern übertüncht und Vielfältigkeit erlosch im Sturm der Gleichschaltung. Eine Stadt mit Konservatorien, Kunstakademien, Universitäten und Forschungsstätten hatte einst aus allen Teilen Deutschlands die Elite angezogen, die zum Wohle der Allgemeinheit neue Maßstäbe setzte. Der vorliegende Band stellt einige der zum Teil unbekannten Protagonisten vor, deren einziger ,Makel' darin bestand, nicht den Wunschvorstellungen der braunen Machthaber zu entsprechen. Sie mussten weichen und die Gesellschaft spaltete sich in Täter und Opfer.
Das Ende ist leidlich bekannt. Und Jazz hatte man lange nicht mehr gehört.